Richness of the Tones by Esra Pehlivanli (Viola) and Marko Kassl (Accordion) - Album Review in English by Joan Cochran Sommers.


Im Zeichen des Skorpions

Werke von Sofia Gubaidulina und Efrem Podgaits

Friedrich Lips, Bayan
13 September 2012

Under the Sign of Scorpio

Der weltbekannte Bajanist Friedrich Lips interpretiert mit dem Neuen Russischen Quartett Efrem Podgaits‘ „Ex animo“ (von Herzen) (2004) (Dauer 26:08 Minuten) für Bajan und Streichquartett. Julia Igonina (1. Geige), Jelena Tscharitonowa (2. Geige), Alexander Galkowski (Viola) und Aleksei Stebljow (Cello) sind die hervorragenden Musiker dieses Quartetts. Das Stück ist eine attraktive Ergänzung zu der immer größer werdenden Liste von wichtigen Kammermusikwerken für Bajan. Es besteht aus wiederholten rhythmischen Mustern nach Perioden „der Unruhe“ mit Tonclustern und wehmütig nachdenklichen Melodien, die zu einer überraschenden Ruhe führen. Das Stück ist in einigen Abschnitten fast hypnotisch, was häufig durch das Pizzicato der Streicher betont wird. Es ergibt sich eine Mischung der Streicher mit den Stimmzungen des Bajans, eine weiterer Tribut an die Musiker. Der Komponist, geboren 1949 und ausgezeichnet mit vielen Preisen in Russland wie auch international, hat erneut eine bemerkenswert wichtige Komposition geschrieben, die das Bajan auf bedeutende Weise inkludiert. Nach meiner Zählung hat er inzwischen mindestens fünfzehn Werke für Bajan geschrieben, alle zweifellos dank des Einflusses von Friedrich Lips!

Das folgende Stück (24 Minuten) auf dieser phänomenalen CD Im Zeichen des Skorpions - Variationen über Sechs Hexachorde für Bajan und Großes Orchester (2003) ist von Sofia Gubaidulina (geborenen 1931) geschrieben. Es ist wahrlich ein monumentales Werk, das Friedrich Lips mit dem BBC-Sinfonieorchester unter seinem Dirigenten Michail Agrest im Rahmen eines Live-Konzerts in London‘s Barbican Hall am 14. Januar 2007 aufgenommen hat. Der Klang des Orchesters ist riesig, aber das Bajan geht nie verloren, wozu den Tontechnikern sehr zu gratulieren ist! Gubaidulina ist natürlich weltberühmt und hat mehrere Werke für Bajan als Soloinstrument oder auch kammermusikalisch geschrieben, aber diese Komposition scheint die Aufmerksamkeit des Zuhörers noch mehr zu fordern als einige andere. Die vorbeiziehenden Wellen der Akkordklänge des Bajans, alleine und mit dem Orchester, die bemerkenswerten „Seufzer“ der Instrumente der Musiker, die enorme Reichweite der dynamischen Kontraste, die irgendwie unheilvollen Pauken-Muster, ja sogar die glissandi provozieren unsere Vorstellung. Oft war es für mich wie die Beobachtung des großen Pulsierens der Farben, die von der Spitze des wunderbaren Nordlichts ausgehen, nur hörte ich eben diese farbigen Töne! Vielleicht ist das einer der Gründe, warum ich diese Aufnahme als „phänomenal“ bezeichnete.

Es ist kaum zu glauben, dass irgendein anderer Komponist die Vielzahl von Kräften und Möglichkeiten des Bajans besser kennen könnte als Sofia Gubaidulina … oder als Friedrich Lips. Wie ein Künstler sein Instrument „kennen“ muss, so muss auch Gubaidulina als Komponistin ihres kennen. Es kann keinen Zweifel darüber geben, dass Sofia Gubaidulina das Bajan kennt! Friedrich Lips beweist mit jedem Ton, den er zum Erklingen bringt, dass er sein Instrument kennt! Von den tiefsten Tiefen bis zu den höchsten Höhen lässt er die Stimmzungen reagieren, selbst wenn beide Hände erforderlich sind, um technisch schwierige Passagen zu spielen, wie in so bemerkenswerter Weise in diesem Werk zu hören ist, oder indem sogar das Geräusch des Luftknopfs zu einem faszinierenden musikalischen Beitrag zur Gesamtheit des Werkes wird.

Die Anmerkungen im Text erklären sehr genau, wie die spezifischen Möglichkeiten des Instrumentes verwendet wurden … wie Melodie- und Standardbass, wie sowohl Einzeltöne als auch Akkordknöpfe gleichzeitig gedrückt werden konnten, woraus Hexachorde entstehen, die Strukturaspekte des Stücks, der Wechsel derselben Schlüssel auf beiden Tastaturen, und das Tierkreiszeichen des Skorpions und die wirbelnden Passagen des Bajans am Ende dieses Werkes … all das ist ziemlich aufschlussreich und interessant für den Leser.

Jedes Instrument braucht neues Repertoire, das sich zu jeder Zeit seines Bestehens entwickelt, aber das ist nicht möglich ohne Interpreten, die Komponisten dazu ermuntern, dafür zu schreiben. Sie dürfen aber nicht nur das Schreiben dieser Stücke fördern, sondern sie müssen die Stücke auch aufführen. Glücklicherweise für die Musiker, die an der Bedeutung und am musikalischen Fortschritt des Bajans/Akkordeons interessiert sind, hat Friedrich Lips durch sein ganzes Berufsleben einige der kompetentesten Komponisten dafür begeistert, wonach es zu einer Vielzahl von Aufführungen und Aufnahmen gekommen ist. Es wird immer mehr klar, dass diese Beiträge eine anhaltende Wirkung auf die Weltgeschichte des Bajans/Akkordeons haben werden, wenn diese geschrieben wird.

Wenn Sie sich für solche historische Beiträge interessieren, dann sollten Sie diese CD in Ihrer Sammlung haben. Tatsächlich, wenn Sie daran Freude haben, ernste Musik zu hören, die außerordentlich gut geschrieben ist und von einigen der größten Musiker dieser Welt gespielt wird, auch dann sollten Sie diese CD haben. Und wie ich in anderen Rezensionen öfters empfohlen habe, wäre diese CD ausgezeichnet dafür geeignet, um Bibliotheken, Dirigenten und Konzertmoderatoren eine passende Einführung in das Instrument und seine Möglichkeiten zu geben. Es ist eine Art und Weise, wie wir alle helfen könnten, das Bajan und/oder das Akkordeon, sein Repertoire und seine größten Darsteller bekannt zu machen.

IM ZEICHEN DES SKORPIONS ist LIPS CD 024, produziert von Dr Herbert & Johannes Scheibenreif, CD-Text von Friedrich Lips. Information: www.accordion-cd.co.at oder herbert@accordion-cd.co.at



Rezension von Joan Cochran Sommers, 13. September 2012

Die deutsche Übersetzung dieses Artikels stammt von Dr. Herbert Scheibenreif.

 

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