Heinrich Band: Namensgeber,
aber nicht Erfinder des Bandoneons

Ulrich SchmüllingDie Wiege des Bandoneons bzw. der Concertinas, die man später Bandoneon nannte, befindet sich in dem Ort Carlsfeld im Erzgebirge in Sachsen.

Nachdem Carl Friedrich Uhlig (1790–1874) im Jahre 1834 in Chemnitz die erste „Deutsche Konzertina“ entwickelt hatte, war es Carl Friedrich Zimmermann (1817–1898) in Carlsfeld, der um das Jahr 1840 erste Handzuginstrumente in der Dachkammer seines elterlichen Hauses herstellte, weiterentwickelte und wenige Jahre später eine Harmonika erfand, die später unter dem Namen „Bandoneon“ (bzw. „Bandonion“) weltweit bekannt und verkauft wurde.

Das ist eine Tatsache, über die in der Allgemeinheit wie in Fachkreisen keine Zweifel bestanden haben und die historisch belegt ist. Bis vor kurzem!

Seit dem 15. Mai diesen Jahres (2020) ist auf dem deutschen Markt ein Fachbuch erhältlich, das den Krefelder Kaufmann Heinrich Band (1821–1860) mit bemerkenswerter Ausdrücklichkeit als Erfinder des Bandoneons erklärt und die Stadt Krefeld im Nachgang zur Geburtsstätte des Bandoneons macht. Unter dem Titel „Heinrich Band. Bandoneon“ (Untertitel: Die Reise eines Instruments aus dem niederrheinischen Krefeld in die Welt) sind es sowohl der „Förderverein für das Kulturbüro der Stadt Krefeld e.V.“ als Herausgeber als auch Janine Krüger als Autorin, die dies in einem farbenprächtigen und aufwendig produzierten Buch propagieren. Erschienen ist der Titel im Klartext Verlag, Essen, finanziell opulent gefördert wurde er durch die „Sparkassen Kulturstiftung Krefeld“, die „Stadt Krefeld“, die „Kunst Stiftung NRW“ und das „Kulturbüro Krefeld“ sowie ausweislich durch den „Förderverein für das Kulturbüro der Stadt Krefeld e.V.“ (der Förderverein ist gleichzeitig Herausgeber und fördert sich selbst); im weiteren unterstützt von Klaus Kokol (Mitglied des Rates der Stadt Krefeld, stellv. Fraktionsvorsitzender der SPD, Leitender Rechtsamtsdirektor) und Jürgen Sauerland-Freer (ehemaliger Leiter des Fachbereichs Kultur der Stadt Krefeld und Amtsvorgänger von Dr. Gabriele König).

Dem Herausgeber und der Autorin hinzugeschaltet ist laut Impressum noch eine Redaktion, und die besteht aus Prof. Gerhard Hahn (einem in Krefeld ansässigen Ingenieur, Bildhauer und Designer), Dr. Gabriele König (Leiterin des Fachbereichs Kultur der Stadt Krefeld und Leiterin des Kulturbüros der Stadt Krefeld) und Burkhard Ostrowski (Mitarbeiter im Kulturbüro der Stadt Krefeld).

Da steht also eine geballte kommunale Energie im Hintergrund.

Daß hier der Lokal-Patriotismus und die kulturelle Begeisterung für sich selbst soweit gehen, daß die Musikgeschichte „gebeugt“ wird, um noch mehr öffentliche Aufmerksamkeit, sprich: Publicity, auf sich zu ziehen, ist nicht nur befremdlich, sondern auch verwerflich. Vor allem aber ganz und gar unnötig.

Zwar leitet sich der Name „Bandoneon“ tatsächlich vom Familiennamen des Krefelders ab. Aber abgesehen davon, daß diese Instrumentenbezeichnung nicht von Band selbst stammte, sondern von Dritter Seite, ist Band nachweislich nie Instrumentenhersteller gewesen, sondern nicht mehr und nicht weniger als einer von mehreren Musikalienhändlern, die unterschiedliche Instrumente von verschiedenen Herstellern kauften und an ihre Kunden verkauften.

Die einschlägige Musikfachwelt steht Kopf angesichts dieser brüskierenden Vermessenheit, zumal die Herausgeber und Kommunalpolitiker es nicht nur mit der falschen Darstellung in ihrem Buch belassen, sondern alle verfügbaren Register der Medienverwertung (Werbe-Videos, lancierte Zeitungsberichte, Internet-Artikel, Rundfunkbeiträge usw.) ziehen, um unverblümt und weithin ihre historische Tatsachenverdrängung zu betreiben.

Es bleibt zu hoffen, daß dadurch nicht das eintritt, was gerade in der heutigen Gesellschaft weit verbreitet ist, nämlich daß Unwahrheit dann zur Wahrheit wird, wenn man sie nur laut und oft genug wiederholt.

Nobert Seidel aus München ist als ausgewiesener Fachmann in Sachen Bandoneon-Forschung weithin bekannt und renommiert. In seinem folgenden Beitrag geht er auf den neuen Buchtitel ein, zeigt die fatale Fehleinschätzung der Autoren detailliert auf und versucht damit, der mit Vehemenz von ihnen betriebenen Geschichtsklitterung zu begegnen.

Heinrich Band. Bandoneon („Förderverein für das Kulturbüro der Stadt Krefeld e.V.“ als Herausgeber und Janine Krüger als Autorin). ISBN 978-3-8375-1970-9 – Format 23 x 23 cm – 368 Seiten – durchgehend vierfarbig mit zahlreichen Fotos und Abbildungen – Hardcover, Fadenheftung – Preis 29,95 Euro – Auflage: 700 Exemplare.

Ulrich Schmülling, 15. Juli 2020, Bild oben.



Auszug aus der Forschung von Norbert Seidel über die Erfindung von Bandoneon
in deutscher PDF-Datei















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